Der Deutsche und die Menschenwürde

Wir Deutschen sind ein beliebtes Volk. Wir setzen uns gerne für Menschenrechte, für Freiheit und Demokratie ein, engagieren uns global gegen Unterdrückung. Ein seit 1946 geläutertes Volk, dass sich in seiner Gründlichkeit so sehr in den Kampf Menschenrechte vertieft hat, dass es jedem anderen Staat gegenüber belehrend auftritt, sich als moralische Autorität empfindet. Doch die deutsche Wirklichkeit geht so gar nicht einher mit der eigenen Wahrnehmung. Das hat das Bundesverfassungsgericht gerade wieder festgestellt, als es die Leistungen für Asylbewerber sofort und rückwirkend auf den Sozialhilfesatz angehoben hat – bis ein neues Gesetz verabschiedet wird, dass das Existenzminimum garantiert. Die wütenden Kommentare in Internetforen wie bei bild.de  zeigen, wie sehr der Spiegel gehasst wird, in den uns die Gerichtsentscheidung blicken lässt – statt sich für die Betroffenen zu freuen, wird der Sozialneid geschürt. Das ist beschämend.

Denn was ist die AUSSAGE? Eines der reichsten Länder der Erde verweigerte Flüchtlingen über zwei Jahrzehnte(!) das Existenzminimum. Nicht nur, dass wir die Flüchtlingslast auf andere und ärmere europäische Randstaaten abgewälzt haben und uns nun über jeden Cent aufregen, den wir zur Eurorettung beitragen. Nein, den Bedürftigsten gönnen wir nichts, und wenn es sich auch noch um Flüchtlinge aus fremden Ländern handelt, dann ist schon das Schwarze unter den Nägeln zu viel. Der Neid und der Hass formen eine Allianz der Niedertracht, die sich gegenüber den Schwächsten Luft verschafft.

Denn die Wut der Diskutanten müsste sich eigentlich gegen sich selbst richten, gegen die Figur im Spiegel, die nicht aufbegehrt, wenn Banken mit Milliarden gerettet werden. Die nicht aufschreit, wenn Manager noch mit horrenden Abfindungen belohnt werden, nachdem sie ihren Konzern und damit tausende Menschen in die Arbeitslosigkeit geführt haben. Die Figur, die es hinnimmt, dass Akteure auf virtuellen Finanzmärkten das demokratische System aushöhlen und ganze Gesellschaften in den Abgrund reißen. Nein, man spielt sich weiter das Lied des aufrichtigen, fleißigen Deutschen vor, der sich wundert warum er immer weniger Geld in der Tasche hat, während er nur im Discounter kauft, damit der Pauschalurlaub bezahlt werden kann und sich darüber echauffiert, wie brutal und unzivilisiert dieser oder jener Diktator ist und wie unmenschlich dieser seine Bevölkerung behandelt – um sich in Anwesenheit seiner illegalen Putzkraft aus der Ukraine über Sozialschmarotzer aufzuregen. – Heute ist die Doppelmoral ein Meister aus Deutschland. Leider.

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